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Adipositas

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Adipositas (starkes Übergewicht, auch Fettsucht genannt) ist eine Stoffwechselkrankheit, an der in der Schweiz jeder zehnte Erwachsene leidet.

Fachbeiträge unserer Experten

Rolle der Psychiatrie und Psychologie in der Adipositastherapie

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Rolle der Psychiatrie und Psychologie in der Adipositastherapie
 
von Dr. med. Bettina Isenschmid, MD et MME Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Psychosomatik SAPPM, Chefärztin KEA Spital Zofingen AG
C1 Isenschmid

Ursächlich sowie als kurz- und längerfristige Folgen sind psychische Belastungen und Erkrankungen bei der Adipositas häufig. Entsprechend den aktuellen Leitlinien (1) ist daher die Psychotherapie neben der Ernährungs-, Bewegungs- und medikamentösen Therapie ein unverzichtbarer Baustein jedes zeitgemässen Behandlungskonzepts. In der Psychotherapie setzen sich multimodale Behandlungsansätze durch, bei denen sowohl kognitiv-verhaltenstherapeutische, psychodynamische als auch systemische Behandlungselemente angewendet werden. Die Wirkung der Verhaltenstherapie ist jedoch empirisch am besten belegt (2,3). Dabei werden ungünstige Verhaltensmuster, die zur Entstehung der Adipositas beigetragen haben, im Hinblick auf ihre auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen untersucht. Neben der Modifikation und Stabilisierung des Essverhaltens mittels Förderung der Selbstbeobachtung und -kontrolle des Patienten stehen die Stressbewältigung, die Verbesserung der sozialen Kompetenz und die Bearbeitung interpersoneller und intrapsychischer Probleme im Vordergrund. Solche konservativen Gewichtsreduktionsprogramme und Lifestyle-Interventionen führen kurzfristig zu einer Gewichtabnahme von durchschnittlich 10 % des Ausgangsgewichts und damit zu einer relevanten Reduktion der körperlichen Begleiterkrankungen (4). Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass längerfristige Nachsorgeprogramme zu einer dauerhaften Verhaltensänderung beitragen und damit einer erneuten Gewichtszunahme entgegen wirken können. Dabei soll den neuen Medien, insbesondere dem Einsatz internetgestützter Therapieprogramme, eine wachsende Bedeutung zukommen. Der Einsatz von Psychopharmaka hingegen nimmt in der Adipositastherapie einen untergeordneten Stellenwert ein. Bei den Antidepressiva zeigt hauptsächlich der SSRI Fluoxetin eine gewisse Wirkung bei Essanfällen. Selbstverständlich werden komorbide psychische Erkrankungen ebenfalls bei Bedarf medikamentös behandelt, die Auswahl an gewichtsneutralen Präparaten ist jedoch sehr begrenzt (5). Bei mehr als 50% aller übergewichtigen Patienten finden sich Episoden von unkontrollierbarem Heisshunger, zentrales Kriterium der Binge Eating Störung, welche bei ca.10% der übergewichtigen Menschen, bei Teilnehmern an Gewichtreduktionsprogrammen bei bis zu 30% vorkommt. Die Rate der Betroffenen steigt mit dem BMI; so leiden unter den Personen mit BMI über 40 kg/m2 über 60% daran. Zur Binge Eating Störung gehören DSM 5 wiederholte Essanfälle, welche durch totalen Kontrollverlust, deutlich erhöhte Essgeschwindigkeit und Verzehr massiv grösserer Nahrungsmengen in kürzester Zeit bis zu unangenehmen Völlegefühl geprägt sind (6). Weitere, noch nicht klassifizierte Essstörungen sind: Night Eating (nächtliches anfallsweises Essen), Problem Eating (Essen zur Spannungsminderung bei Problemen), Craving (zwanghafte, unstillbare Gier nach Essen ohne Hunger- oder Sättigungsgefühl), Snacking (Zwischendurchessen) und Nibbling / Grazing (ständiges, zwanghaftes Naschen). Diese Essstörungen sind mit Schuldgefühlen und selbstabwertenden Gedanken verbunden und werden anfänglich oft verheimlicht. Das beschriebene Essverhalten hat die Funktion, Missempfindungen, Spannungsgefühle und psychischen Stress zu regulieren. Verhalten und Selbstwertgefühl hängen enorm oder vollständig von der subjektiven Wahrnehmung der Figur und des Körpergewichts ab. Weitere treten emotionale Veränderungen wie Stimmungslabilität, depressive und Angst-Symptome und psychosoziale Probleme auf, z.B. Unbehagen beim Essen mit anderen Personen oder sozialer Rückzug und Isolation aufgrund des abweichenden Essverhaltens und/oder des Körpergewichts. In Bezug auf die Binge-Eating-Störung ist die manualbasierte kognitive Verhaltenstherapie der bestuntersuchte Ansatz mit den derzeit günstigsten Behandlungsresultaten. Studienergebnisse zeigen, dass kognitive Verhaltenstherapie, einzel wie auch in der Gruppe, zu einer Verminderung der Essanfälle, der Hungergefühle und der Essattacken führt (7,8,9). Die Grenzen der konservativen Therapie sind in der Regel bei einem BMI von über 40 kg/m2 (Adipositas Grad III) oder ab 35 kg/m2 bei somatischen Komorbiditäten, welche eine rasche Gewichtsreduktion erfordern, erreicht. Der Hauptansatz liegt dort bei der Adipositaschirurgie. Im Rahmen der präoperativen Vorabklärung ist ein psychiatrisch-psychologisches Assessment gemäss SMOB erforderlich. Dieses wie auch die erfolgreiche vorgängige Bearbeitung psychischer Probleme sind wichtige Garanten für gute Compliance und dauerhaften Gewichtsverlust nach Adipositaschirurgie. Bei einer psychischen Erkrankung ist eine Psychotherapie auch in der obligatorischen postoperativen Nachsorge notwendig (10). Gründe dafür sind u.a. dass ca. 20% der Partner/Freunde eifersüchtig oder ablehnend auf den Gewichtserfolg reagieren, es zur Aggravation der Essstörungen oder Suchtverlagerung kommt, wenn keine alternative Bewältigung aufgebaut werden kann. Auch das veränderte Körperbild und die überschüssige Haut sind eine grosse Herausforderung, im Rahmen der Begutachtung für plastisch-chirurgische Eingriffe ist die psychiatrische Beurteilung zentral. Mit steigenden Fallzahlen, früheren Operationen und längerer Beobachtungsdauer zeigen sich weitere Probleme wie anhaltende Körperwahrnehmungsstörung, sog. Phantom Fat Disorder, postoperative Essstörungen wie z.B. Chew-and-Spit oder zwanghafte Nahrungsvermeidung (11, 12). Nicht immer gelingt eine nachhaltige Gewichtsreduktion durch die Adipositaschirurgie, so ist der Gewichtsverlauf bei 20 - 30% der Operierten letztlich unbefriedigend. Der Wiederanstieg des Körpergewichts ist mit der Rückkehr von Folgeerkrankungen wie z.B. Diabetes verbunden (13). Zusätzlich wird das obligatorische Nachsorgeprogramm nicht selten ungenügend wahrgenommen. Auch hier sind psychosoziale Belastungen beteiligt, sodass die psychiatrisch-psychotherapeutische Begleitung ausschlaggebend bleibt (14).

Literatur

  1. http://sgedssed.ch/fileadmin/files/1_ueber_uns/16_asemo/2017_11_03_consensus_FINAL_d_Druckboegen.pdf
  2. Becker S, Rapps N, Zipfel S (2007). Psychotherapie bei Adipositas – ein systematischer Review. Psychother Psychosom Med Psychol 57(11):420–427
  3. Hauner, H. und Wirth, A. (2013). Adipositas - Ätiologie, Folgekrankheiten, Diagnose, Therapie. Springer
  4. Bischoff SC, Damms-Machado A, Betz C, Herpertz S, Legenbauer T, Low T et al (2012). Multicenter evaluation of an interdisciplinary 52-week weight loss program for obesity with regard to body weight, comorbidities and quality of life - a prospective study. Int J Obes (Lond)36(4):614–624.
  5. De Zwaan M, Friederich HC (2006) Binge-Eating-Störung. Ther Umsch 63:529–533
  6. Wilson GT, Grilo CM, Vitousek KM (2007). Psychological treatment of eating disorders. American Psychologist 62: 199–216.
  7. Vocks S, Tuschen-Caffier B, Pietrowsky R, Rustenbach SJ et al (2010) Meta-analysis of the effectiveness of psychological and pharmacological treatments for binge eating disorder. Int J Eat Disord 43:205–217
  8. Brownley KA, Berkman ND, Sedway JA, Lohr K. & Bulik CM (200/). Binge eating disorder treatment: a systematic review of randomized controlled trials. International Journal of Eating Disorders 40: 337–348.
  9. McElroy SL, Guerdjikova AI, Mori N, Keck PE Jr (2015). Psychopharmacologic treatment of eating disorders: emerging findings. Curr Psychiatry Rep 17(5):35. doi: 10.1007/s11920-015-0573-1.
  10. http://www.smob.ch/de/component/jdownloads/send/1-root/61-smob-richtlinien-medizinisch-gueltig-ab-1-1-2018
  11. Jumbe S, Hamlet C, Meyrick J (2017). Psychological Aspects of Bariatric Surgery as a Treatment for Obesity. Curr Obes Rep. 6(1):71-78. doi: 10.1007/s13679-017-0242-2.
  12. Faccio E (2016). Becoming ex-obese: narrations about identity changes before and after the experience of the bariatric surgery. J Clin Nurs. 25(11-12):1713-20. doi: 10.1111/jocn.13222.
  13. Mingrone G et al (2015). Bariatric-metabolic surgery versus conventional medical treatment in obese patients with type 2 diabetes: 5 year follow-up of an open-label, single-centre, randomised controlled trial. Lancet. 386(9997):964-73. doi: 10.1016/S0140-6736(15)00075-6.
  14. Peterhänsel C, Petroff D, Klinitzke G, Kersting A, Wagner B (2013). Risk of completed suicide after bariatric surgery: a systematic review. Obes Rev. 14(5):369-82. doi: 10.1111/obr.12014.
 

Nichtchirurgische Therapie der Adipositas

Adimed WM unten

Muss Adipositas behandelt werden? – Festlegung des medizinischen Zielgewichtes
Wie kann Adipositas behandelt werden? – Diätetische Intervention
Bewegung
Digitale Medien zur Therapieunterstützung
Pharmakologische Therapie der Adipositas
 
von Dr. med. Susanne Maurer, Adimed - Zentrum für Adipositas- und Stoffwechselmedizin Winterhur, Zermed - Zentrum für Ernährungsmedizin, FMH Innere Medizin / Sport- und Ernährungsmedizin DGSM/DGEM, Geschäftsführerin
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Muss Adipositas behandelt werden? - Festlegung des medizinischen Zielgewichtes:

Viele Menschen denken, dass sie aufgrund eines zu hohen Body Mass Indexes (BMI) unbedingt abnehmen müssen, sie befürchten, durch den hohen BMI krank zu werden. Aber, der BMI war zunächst ein statistisches Mass für Versicherungen, Risiken aufgrund von erhöhtem Körpergewicht zu bewerten. Mittlerweile existieren nicht wenige Studien, die gezeigt haben, dass das Gewicht per se keinen krankmachenden Effekt hat.

Die Stratifizierung des Risikos entsprechend des Edmonton Obesity Score System (EOSS) offeriert eine bessere Möglichkeit, die Behandlungsnotwendigkeit unabhängiger vom BMI zu gestalten. Das so genannte 4M-System nach Prof. Arya Sharma gruppiert die Begleiterkrankungen in vier Kategorien:

  • Metabolischen Begleiterkrankungen (Das sind Erkrankungen des Stoffwechsels wie zum Beispiel Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus Typ 2, erhöhte Harnsäurewerte).
  • Mechanischen Begleiterkrankungen (Dazu gehören zum Beispiel erhöhter Blutdruck, Schlafapnoe, orthopädischen Probleme)
  • Mentalen Begleiterkrankungen (Depressionen, Essstörungen)
  • Monetäre (soziale) Probleme (Beeinträchtigungen im Rahmen der Jobsuche oder der Partnerschaft, Diskriminierung)

In Abhängigkeit der Schwere der Begleiterkrankungen werden vier Stadien eingeteilt, mit Stadium 1 (z.B. leichte Störungen des Zuckerstoffwechsels) bis Stadium 4 (z.B. diabetische Retinopathie als Endorganerkrankung des Augenhintergrundes). Eine Festlegung, bei welchem Patient welche Gewichtsabnahme erreicht werden soll, ist mit Studien nicht belegt. Dennoch kann man unter Beachtung aller oben genannter Parameter unter Hilfenahme der Dauer der Adipositas und der familiären Belastung gut funktionierende pragmatische Regeln festlegen:

  • Je höher der BMI (>35 kg/m2), je länger die Adipositas besteht (>10 Jahre), je mehr Verwandte ersten Grades betroffen sind, je höher der EOSS (1-3) ist, desto dringender ist die Behandlungsnotwendigkeit und auch Therapierisiken gerechtfertigt.
  • Ein EOSS von 0 muss generell nicht behandelt werden egal welcher BMI vorliegt.
  • Bei einem EOSS von 3 und 4 wird die Gewichtsabnahme das Voranschreiten der Endorganschäden zwar verlangsamen, diese aber nicht beseitigen.
  • Eine Gewichtsabnahme von 10% des Ausgangsgewichtes ist aus medizinischer Sicht bei etwa 80% der adipösen Patienten ausreichend.

Die Beziehung zwischen Adipositastherapeut und Patient spielt beim Therapieerfolg eine entscheidende Rolle. Die persönlichen Gründe des Patienten für die Gewichtsabnahme sind beim Einstieg in die Therapie sehr bedeutend. Der Therapeut ist verantwortlich für die Kommunikation von Konsequenzen des Handelns/Nichthandelns, nicht für das Resultat der Gewichtsabnahme, er erklärt und begleitet den Weg des Patienten, der Patient geht ihn.

Wie kann Adipositas behandelt werden? – Diätetische Intervention

Fette:

Es ist allgemein etabliert, dass eine zu hohe Zufuhr von gesättigten Fetten ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas darstellt. Die Qualität der Fette ist dabei bedeutend. Die Fettzufuhr aus verschiedenen pflanzlichen Ölen (Olive, Raps, Leinsamen), Nüssen und Kaltwasserfische ist zu erhöhen und die Fettzufuhr aus tierischen Fetten und verarbeiteten Fettquellen (mit Transfettsäuren) deutlich zu reduzieren. Dabei muss die Gesamtmenge immer im Auge behalten werden, da es ziemlich leicht ist, eine Tageszufuhr von etwa 60 g zu überschreiten.

Im Durchschnitt verzehren Erwachsene etwa 100-120 g Fett pro Tag. Eine Reduktion von etwa 40-60 g Fett pro Tag bewirkt eine Verminderung der Energiezufuhr um 400-600 kcal pro Tag. Diese Verminderung der Kalorienzufuhr reicht für eine signifikante Gewichtsabnahme von 5-10% des Ausgangsgewichtes aus. Das Bewusstmachen der Fettmenge in bestimmten Produkten reicht häufig aus, die Aufmerksamkeit zu erhöhen und hat therapeutischen Charakter (1 Scheibe Käse 10 g; 1 Cervelat 30 g; 2 Stück Schokolade 10 g – Tagesmenge aufgebraucht). Hier existieren nun bereits spezielle Therapieansätze zur Ernährungsintervention, die man als Aufmerksamkeitstraining bezeichnet.

 

Kohlenhydrate:

Low Carb Diets (LCD) sind weiterhin en Vogue, wobei hier zunächst die Begrifflichkeit definiert werden sollte.

Einerseits beachten Menschen den so genannten glykämischen Index von Lebensmittel. Es muss aber festgestellt werden, dass die Daten für den so genannten glykämischen Index in der Praxis kaum standhalten, da wir nicht einzelne Lebensmitteln, sondern ganze Mahlzeiten zu uns nehmen.

Unter einer wirklichen Low Carb Diet versteht man die Reduktion der Kohlenhydratzufuhr unter 150 g pro Tag, wobei ein Erwachsener im Schnitt 300 g Kohlenhydrate pro Tag zuführt. Langsam absorbierbare Kohlenhydrate führen zu einer Verlängerung der Sättigung. Dabei sollte bedacht werden, dass die morgendliche Nahrungszufuhr zu einer Erhöhung der Wärmebildung führt, welche für den Gesamtenergieumsatz nicht unbedeutend sein kann. Die Daten zum Thema Frühstücken und Energieverbrauch sind zwar widersprüchlich, aus ernährungspsychologischen Gründen, für eine Tagesstrukturierung der Ernährung, ist Frühstücken aber unbedingt zu empfehlen, um dem ständigen „Um-sich-rum-essen“ vorzubeugen.

Einige meiner Patienten essen kein Frühstück, Essen dann etwas später und noch mal am Abend und führen eine 16-stündige Nahrungskarenz durch. Auch das funktioniert gar nicht so schlecht.

Insulinresistente, ältere und diabetischen Patienten können von einer ketogenen (mit Ketonurie verbundenen) Diät (KH-Zufuhr < 50 g/d) mehr profitieren, als von einer fettreduzierten Diät. Durch die sehr niedrige Zufuhr von Kohlehydrate kommt es zu einem deutlichen Abbau von Fetten, es entstehen Ketonkörper, die man im Urin nachweisen kann. Da hier auch deutlich Eiweiss abgebaut werden kann, ist eine Begrenzung der Dauer auf sechs Monate ist zu empfehlen, da Proteinabbau z.B. am Herzmuskel ein Risiko dieser Diät darstellt.

 

Proteine:

Sinnvoll wird eine Low Carb Diet dann, wenn die guten Fette beachtet werden und die reduzierten Kohlenhydrate durch gute Proteine ausgetauscht werden. Dies kann zur Gewichtsstabilität nach einer Gewichtsabnahme beitragen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass ein höherer Proteinanteil zu einer besseren Sättigung und einer Reduktion von Appetit beiträgt. Von besonderer Bedeutung und absolut unterschätzt ist hierbei auch der Erhalt der stoffwechselaktiven Zellmasse, unabdingbar für eine langfristige Gewichtsstabilität. Diätetische Interventionen mit einem hohen Proteinanteil haben einen positiven Effekt auf die Insulinsensitivität, den Blutdruck und die Blutfettwerte.

 

Bewegung:

Bewegung ist allgemein eine wichtige Komponente für den täglichen Energieverbrauch, welche leicht modifizierbar und gut integrierbar ist in Gewichtsreduktionstherapien.

Bis vor einigen Jahren wurde standardmässig für eine Gewichtsabnahme ein niedrigintensives Training empfohlen. In letzter Zeit häufen sich aber Erkenntnisse, dass für die Energiebilanz der Energieverbrauch durch die Bewegung entscheidender ist. Soweit also der Patient in der Lage ist, darf er so intensiv trainieren wie möglich (selbstverständlich nicht jede Trainingseinheit).

Um eine Gewichtszunahme zu verhindern, ist ein kalorischer Verbrauch von 30 min schnelles Gehen pro Tag ausreichend. Für eine Gewichtsreduktion (ohne gleichzeitige Ernährungsintervention) ist jedoch mehr Bewegung, also 60-90 min/Tag, notwendig. Da dies häufig so nicht realisierbar ist, stellt tatsächlich die Ernährungsumstellung die Therapie der Wahl für eine Gewichtsabnahme dar, zum Gewichtserhalt ist Bewegung besser geeignet. Bei Gewichtsreduktionen von mehr als 10 % vom Ausgangsgewicht reicht aber weder Ernährung noch Bewegung alleine aus.

 

Digitale Medien zur Therapieunterstützung

eHealth hat gerade in der Therapie der Adipositas massiv Einzug gehalten. Die Benutzung von Smartphone-Applikationen zur therapeutischen Unterstützung können folgende Vorteile bieten:

  • Unabhängigkeit der Beratung von Ort und Zeit.
  • Intensiveren und häufigeren Kontakt zwischen Therapeut und Patient.
  • Bessere Visualisierung und Abgabe von Dokumenten mit standardisierten therapeutischen Inhalten.
  • Bei Integration von Therapeuten in derartige Systeme über eine Plattform auch Möglichkeit der individuellen Führung und Abwechslung von standardisierter Therapie und individueller Therapie.
  • Objektivere Observation des alltäglichen Lebens der betroffenen Person, sowohl hinsichtlich Ernährung als auch Bewegung.

 

Seit über zehn Jahren ist bereits die Effizienz von derartigen therapeutischen Systemen mit Studien belegt. In einigen Studien konnten die elektronischen Systeme, obgleich sie extrem unterschiedlich konfiguriert sind, ein besseres Outcome erzielen, als eine Standardberatung.

Module für eine elektronische Beratung werden neuerdings von allen grossen Interventionsprogrammen angeboten wie Weight Watchers, e-Balance, Metabolic Balance.

Für die ärztliche Anwendung finde ich es bedeutend, das seine Verordnungsfähigkeit für den Patienten vorliegt, somit der Krankheitswert der Adipositas anerkannt ist, was aktuell in der Schweiz für die OVIVA App der Fall ist.

 

Auch bei den Applikationen für die Steigerung der körperlichen Aktivität hat sich was getan. Aus meiner Sicht ist es schon sehr hilfreich, wenn der Betroffene den Schrittzähler im Smartphone angeschaltet und hier versucht, pro Tag wenigstens 6000 besser 10000 Schritte/Tag zurückzulegen. Vorausgesetzt, man ist körperlich in einer guten Verfassung, kann für das Krafttraining z.B. die 7 min Workout-App mit signifikanten Effekten 1/Tag Verwendung finden. Wer unbedingt etwas ehrgeiziger sein möchte, kann für das Krafttraining auch die Nike+Training Club App benutzen. Ich ganz persönlich bin ein Fan der Lifesum-App zur Erfassung der täglichen Ernährungssituation, der Heath Mate App um hin und wieder mit meiner digitalen Badezimmerwaage meine Gewichtssituation im Auge zu haben, der Runkeeper App zur Unterstützung meiner regelmässigen Laufeinheiten. Auch die Fitbit-App ist da sehr schön. Da man immer mal wieder was Neues ausprobieren sollte und auch Abwechslung vor allen Dingen mit koordinativem Anspruch den Energieverbrauch beim Training deutlich erhöhen kann, mache ich Yoga mit Asana Rebel App. Die Empfehlungen zu den Bewegungsapplikationen sind Resultate von 20 Jahren Erfahrung in der Adipositasmedizin und dem individuellen, pragmatischen und praktischen Arbeiten mit sehr vielen Betroffenen und nicht Erkenntnis wissenschaftlicher Studien, wobei tatsächlich die Bindung an eine Therapie grösser ist, wenn Motivationsunterstützung vorhanden ist und auch die Nutzung einer solchen Unterstützung Spass macht.

 

Pharmakologische Therapie der Adipositas

Seit Februar 2017 ist in der Schweiz die Therapie mit dem GLP-1-Analogom Liraglutide unter dem Präparatenamen Saxenda® zugelassen. Schon vorher war die Substanz seit mehreren Jahren für die Therapie des Diabetes verfügbar. GLP-1 (Glucagon-Like-Peptide-1) ist ein Botenstoff, welcher in tieferen Dünndarmabschnitten des menschlichen Körpers gebildet wird. Man hat ihn auch im Zusammenhang mit der Übergewichtschirurgie sehr gut erforscht. Generell ist bekannt, dass Adipöse weniger von diesem Botenstoff im Blut haben. Dieser Botenstoff wird durch die Präsenz von Nahrung, die beispielsweise dann bei einer chirurgischen Therapie des Übergewichtes sehr viel mehr und auch unverdaut in tiefere Dünndarmabschnitte gelangt, verstärkt ausgeschüttet. Das Präparat wird als Injektion verabreicht einmal pro Tag. Dieser Botenstoff bewirkt, dass einerseits Zucker rascher aus dem Blut verschwindet, die Insulinausschüttung nach dem Konsum von Kohlehydrate viel steiler und rascher erfolgt, dadurch Insulin nicht so lange und plateaumässig im Blut vorhanden ist, dadurch nicht so viel Nahrung sehr wahrscheinlich ins Fettgewebe abdriftet, sondern mehr in das Gehirn und auch in die Muskulatur. All diese Stoffwechseleffekte bewirken eine deutlich bessere Gewichtsreduktion. Zwei von zehn Menschen sprechen auf dieses Präparat beispielsweise so gut an, wie nach einer Übergewichtsoperation. Leider sprechen aber auch zwei von zehn Menschen nicht an, diesen fehlt dann der entsprechende Rezeptor für diesen Botenstoff im Gehirn. Wir sehen in jedem Fall auch bei unserem Patientengut immer eine zusätzliche Gewichtsabnahme durch dieses Präparat, egal ob man mittels einer konservativen Therapie schon behandelt wird oder ob man bereits eine chirurgische Therapie des Übergewichtes hatte. In der Regel nimmt man noch mal 10 % vom Startgewicht ab.

Wir haben insgesamt 242 Patienten neben einer Ernährungstherapie/Bewegungstherapie mit Saxenda® behandelt über mehr als drei Monate. Die durchschnittliche Gewichtsabnahme betrug 16.6 % vom Ausgangsgewicht ± 6.8%, was bei 100 kg eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von etwa 15 kg bedeutet.

Nach Beendigung der pharmakologischen Therapie haben 80 % einen leichten Wiederanstieg des Gewichtes innerhalb von einem Jahr um 3.5% erlitten. Eine Langzeitauswertung werden wir perspektivisch vornehmen. Hilfreich war es, zunächst erst die Ernährungstherapie und die Bewegungstherapie zu etablieren, worunter die Patienten bis zu 10 % an Gewicht verlieren konnten, dies meist innerhalb von sechs Monaten. Wenn wir dann die Therapie mit Liraglutide zusätzlich etabliert hatten, haben sechs von zehn Patienten nochmals 10 % des Gewichtes verlieren können.

 

Dies gibt uns Hoffnung, dass wir in Zukunft durchaus chirurgische Therapien bei einigen Patienten wirklich nicht mehr benötigen.

 

Adimed
Zentrum für Adipositas- und
Stoffwechselmedizin Winterthur GmbH
Lagerhausstrasse 9
8400 Winterthur
 
T 052 235 05 00
F 052 235 05 01
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Unsere Praxis befindet sich in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhof Winterthur und ist auf die Abklärung und Behandlung von Übergewicht, Adipositas und Stoffwechselkrankheiten ausgerichtet. Eine sorgfältige Stoffwechselabklärung mündet in eine nachhaltige Umstellung des Lebensstils. Mit Hilfe der Ernährungspsychologie und unserem grossen Team an erfahrenen Ernährungsberaterinnen können auch Themen wie Fehlernährung, Ess-Störungen und Stressverarbeitung gezielt angegangen werden. Hierbei kommen zeitgemässe Konzepte wie individuelle Trainingsmodule und Ernährung-Coaching online oder als App zum Einsatz. Erfolgreich werden auch alternativmedizinische Konzepte wie Hypnose und Traditionelle Chinesische Medizin eingesetzt. Während der gesamten Behandlungsphase begleiten wir unsere Patienten persönlich. Ziel ist dabei nicht eine Normalgewichtigkeit zu erreichen, sondern vielmehr die Verminderung der gewichtsassoziierten gesundheitlichen Risikofaktoren.

 

Langzeitprobleme nach bariatrischen Operationen - Was Sie dagegen tun können

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Langzeitprobleme nach bariatrischen Operationen
Was Sie dagegen tun können
von Dr. med. Thomas Köstler, Leitender Arzt Chirurgie, Spital Limmattal
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Unbestritten ist die Notwendigkeit bariatrischer Operationen zu einer nachhaltigen Gewichtsreduktion ab einem BMI von 35 kg/m2. Falls Sie unter einer Zuckerkrankheit leiden, macht es medizinisch Sinn, bereits ab einem BMI von 30 kg/m2 einen bariatrischen Eingriff in Betracht zu ziehen. Unbestritten ist auch, dass durch die erfolgte Gewichtsreduktion eines bariatrischen Eingriffes Ihre durchschnittliche Lebensspanne mindestens zehn Jahre erweitert und Ihre physische und psychische Lebensqualität verbessert wird.

Dennoch bergen sämtliche bariatrische Eingriffe auch gewisse Langzeitprobleme, die ein interdisziplinäres Management nötig machen. Eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen (Innere Medizin, Ernährungsberatung, Psychiatrie, Chirurgie) ermöglicht eine patientengerechte Therapie.

Im Folgenden sollen einige Probleme kurz erwähnt und aufgeführt werden, welche nach den verschiedenen bariatrischen Eingriffen im Langzeitverlauf auftreten können.

Gewichtsrebound

In der Regel verlieren Sie im Langzeitverlauf mit einer proximalen Magenbypassoperation zirka 60-70% Ihres Übergewichts, mit einer Magenschlauchoperation 50-60% Ihres Übergewichts. Hierbei handelt es sich um Durchschnittszahlen, im Einzelfall können Sie deutlich mehr oder aber auch deutlich weniger an Gewicht verlieren.

Ein gewisser Gewichtsrebound zwischen dem ersten und fünften Jahr nach Durchführung eines bariatrischen Eingriffes ist normal. Er wird vor allem dadurch erklärt, dass mit der Gewichtsreduktion, die nicht nur Fett- sondern auch Muskelmasse beinhaltet, Ihr Grundumsatz reduziert wird. Der Grundumsatz widerspiegelt den Energieverbrauch in Ruhe. Sie können Ihren Grundumsatz steigern, indem Sie sich sportlich betätigen und ihre Muskulatur aufbauen. Es kann aber auch sein, dass sich hinter einem starken Gewichtsrebound eine Fehlernährung verbirgt, die Sie mit Ihrer Ernährungsberatung therapieren sollten.

Wichtig ist aber, dass jeder Gewichtsrebound medizinisch abgeklärt wird. Denn auch Probleme im Zusammenhang mit dem operativen Eingriff können das Gewicht wieder ansteigen lassen. Nach Magenschlauchoperation kann sich der Magen in 10-15% der Fälle wieder ausdehnen, so dass die Nahrungsaufnahme wieder schneller und mit grösseren Essensportionen gelingt. Es ist auch möglich, dass sich nach Magenbypassoperationen die Verbindung zwischen Magen und Dünndarm massiv ausdehnt, so dass Sie keine Bremswirkung mehr beim Essen verspüren. Auch eine Verbindung zwischen Magenpouch und Restmagen, welche im Rahmen eines chronischen Geschwürleidens auftreten kann, kann zu einem Gewichtsrebound führen.

Auf jeden Fall braucht es eine bildgebende und endoskopische (Magenspiegelung) Abklärung, damit solche Ursachen ausgeschlossen werden können, denn diese lassen sich nur mit einem erneuten chirurgischen Eingriff behandeln.

 

Abdominale Schmerzen

Schwere abdominale Schmerzen sind nach Durchführung bariatrischer Eingriffe selten. Zeitweise auftretende Koliken von kurzer Dauer nach Nahrungsaufnahme sind normal und deuten auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit hin. Sollten allerdings rezidivierend, auch nahrungsunabhängig, schwerste abdominale Schmerzen auftreten, welche nicht nach einer halben Stunde bis eine Stunde spontan verschwinden, so sind diese auf jeden Fall abklärungsbedürftig.

Nach Magenbypassoperationen können Verwachsungsstränge eine häufigste Ursache sein. Diese Verwachsungen im Bauch können im schlimmsten Fall zu einem Darmverschluss führen. Verwachsungsstränge lassen sich chirurgisch problemlos behandeln.

Eine weitere Ursache schwerer abdominaler Schmerzen nach Magenbypassoperationen können auch innere Hernien sein. Die sogenannten Mesolücken, welche nach Magenbypassoperationen entstehen, werden in der Regel beim primären Eingriff zugenäht. Dennoch ist es möglich, dass diese Lücken im Zuge der Gewichtsreduktion wieder aufgehen, so dass sich der Darm verdrehen oder einklemmen kann. Eine solche Situation stellt einen medizinischen Notfall dar. Sie sollten sich in einem solchen Fall umgehend in ein bariatrisches Zentrum in medizinische Behandlung begeben. Wird diese Einklemmung frühzeitig operiert, treten keine Folgeschäden auf.

Falls Sie unter chronischen Schmerzen im Bereich des Oberbauches leiden, kann sich sowohl nach Magenbypassoperation aber auch nach Magenschlauchoperation ein Magengeschwür dahinter verbergen. In der Regel lassen sich solche Geschwüre medikamentös behandeln. Eine Reoperation ist nur selten notwendig. Kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch mit Ausstrahlung in den Rücken deuten auf ein Gallensteineleiden hin. Gallensteine treten gerne nach Gewichtsreduktion auf, und sollten mit einer Entfernung der Gallenblase behandelt werden. Die operative Entfernung der Gallenblase ist in der Regel ein einfacher, komplikationsloser Eingriff.

 

Blähungen

Blähungen treten vor allem nach Magenbypass-Operationen auf. Bis zu einem gewissen Grad lassen sie sich nicht vermeiden. Allerdings werden Sie häufig durch Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten verursacht. Solche können zum Beispiel eine Laktoseintoleranz sein (Unverträglichkeit gegenüber Milchprodukten) oder eine neu auftretende Fructoseintoleranz (Unverträglichkeiten gegenüber Fruchtzucker). Auch kann eine zu fetthaltige Ernährung zu rezidivierenden Blähungen führen, da Magenbypassoperationen eine Veränderung der Darmbakterienzusammensetzung zur Folge haben. Bei störenden Blähungen sind eine fachspezifische Abklärung bei einem Ernährungsmediziner, einem Magendarmspezialisten und eine Ernährungsberatung indiziert.

 

Chronisches Erbrechen

Nicht-willentlich herbeigeführtes chronisches Erbrechen nach bariatrischen Operationen muss abgeklärt werden. Nach Magenbypassoperationen kann es sein, dass es zu einer Verengung der Verbindung des Magens zum Dünndarm gekommen ist. Diese Problematik lässt sich problemlos mit einer Magenspiegelung diagnostizieren und behandeln. Auch kann es sein, dass Verwachsungsstränge im Bauch zu rezidivierendem Erbrechen führen. In diesem Fall lässt sich das Problem mit einem chirurgischen Eingriff problemlos beheben.

Nach Magenschlauchoperationen ist chronisches Erbrechen etwas häufiger. Ursächlich können Vernarbungen und Knickbildungen des Magenschlauches sein. In diesem Fall ist eine Abklärung mittels Röntgen und Magenspiegelung unerlässlich. Allenfalls ist eine Umwandlung des Magenschlauches in einer Magenbypass-Operation indiziert.

 

Sodbrennen

Sodbrennen tritt nach Magenbypass-Operationen selten auf. Etwas häufiger tritt es nach Magenschlauchoperationen auf. In diesem Fall ist es wichtig, dass Sie abklären lassen, ob es sich um einen sauren Reflux oder um einen Nahrungsreflux handelt. Sollte es sich um einen sauren Reflux handeln, sollten Sie Ihre Ernährung anpassen (Nikotinstopp, keine hochprozentigen alkoholischen Getränke). Eine medikamentöse Therapie mit Säureblockern kann hilfreich sein. Sollten diese Massnahmen nicht zu einer Verbesserung der Symptomatik führen, muss eine Umwandlung des Magenschlauches in eine Magenbypassoperation diskutiert werden. In der Regel verschwindet die Refluxsymptomatik (Sodbrennen) nach Magenbypass-Operationen.

 

Dumping

Dumpingsymptome treten in der Regel nach Magenbypass-Operationen auf. Nach Magenschlauch-Operationen sind sie äusserst selten. Unter dem sogenannten Spätdumping verstehen wir eine Unterzuckerung, welche klassischerweise eine halbe Stunde bis eine Stunde nach Nahrungsaufnahme auftritt. Paradoxerweise tritt diese Unterzuckerung dann auf, wenn Sie eine zu hohe Menge an Kohlenhydraten (Zucker) zu sich nehmen. Es kommt zu einer Überregulation des Körpers, welche zum starken Abfall des Zuckers führt. Die typischen Symptome sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schwindel oder Zittern sowie Schweissausbrüche zirka 30 Minuten bis 1.5 Stunden nach Nahrungsaufnahme. Im schlimmsten Fall können diese Symptome auch bis zur Bewusstlosigkeit führen.

Dumpingsymptome sollten interdisziplinär abgeklärt werden. Sie müssen ein Ernährungsprotokoll führen. Ihre Blutzuckerwerte werden dann über mehrere Tage gemessen. In Regel lassen sich die meisten Dumpingsymptome mit einer gezielten Umstellung der Ernährung (Verzicht auf einfache Kohlenhydrate) beheben. In wenigen Fällen ist eine zusätzliche medikamentöse Therapie (Acarbose, Liraglutide) indiziert. In äusserst seltenen Fällen sind Dumpingsymptome mit den oben beschriebenen Massnahmen nicht therapierbar, so dass ein zusätzlicher operativer Eingriff durchgeführt werden muss.

 

Mangelernährungen

Schwere Mangelernährungen nach proximalen Magenbypass- oder Magenschlauch-Operationen sind selten, sofern Sie sich an die für die Eingriffe erforderlichen fachärztlichen Nachkontrollen halten. In der Regel bekommen Sie nach der Operation Multivitaminpräpräparate und Kalziumtabletten, die Sie lebenslang einnehmen sollten. Die häufigen Eisen-, Vitamin B12- oder Vitamin D-Mängel lassen sich problemlos beheben.

Schwere Proteinmangelzustände treten nur nach malabsorptiven bariatrischen Eingriffen auf. Dazu gehören die biliopankreatische Diversion nach Scopinaro oder distale Magenbypass-Operationen. Es gibt allerdings Situationen, in denen ein malabsorptiver bariatrischer Eingriff für eine nachhaltige und genügende Gewichtsreduktion zwingend ist. Sollten Sie einen solchen Eingriff erhalten haben, sind die Nachkontrollen umso wichtiger, im Speziellen auch die Notwendigkeit einer Nahrungsaufnahme mit hohem Proteingehalt. Eiweissmangelzustände können gefährlich sein und müssen umgehend therapiert werden.

 

Durchfälle/Steatorrhoe

Chronische Durchfälle nach einer Magenschlauch-Operation sind eine Rarität. Etwas häufiger kommen sie nach Magenbypass-Operationen vor. Der häufigste Grund für chronische Durchfälle ist eine bakterielle Infektion des Dünndarms, welche sich mittels Analyse Ihrer Stuhlbakterien nachweisen und medikamentös behandeln lässt.

Eine weitere Ursache können Nahrungsmittelunverträglichkeiten sein, beispielsweise eine Laktose- oder Fructoseintoleranz. Ein zusätzlicher Grund für Durchfälle sind Steatorrhoen. Diese treten vor allem nach distalen Magenbypass-Operationen auf, sofern Sie zu wenig Proteine und zu viel Fett mit der Nahrung aufnehmen. In diesen Fällen kann es zu übelriechenden, lehmfarbenen Stuhlgängen kommen. Auch diese Symptomatik lässt sich durch eine konsequente Umstellung der Ernährung in der Regel behandeln. In seltenen Fällen ist in solchen Situationen mit einer Reoperation zur Änderung der Dünndarmschenkellängen notwendig.

Zusammenfassend können die meisten Langzeitprobleme nach bariatrischen Operationen diagnostiziert und im interdisziplinären Team behandelt werden. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich fachmännisch von Spezialisten aus den verschiedensten Disziplinen (Innere Medizin, Gastroenterologie, Psychiatrie, Ernährungsberatung, Chirurgie) beraten lassen. Die Fachärzte der verschiedenen Disziplinen sollten sehr eng miteinander kommunizieren und arbeiten, so dass in beschriebenen Fällen, ein optimaler Therapiepfad aufgestellt werden kann.

Dr. med. Thomas Köstler

Leitender Arzt Chirurgie, Spital Limmattal
FMH Chirurgie, Schwerpunkttitel Allgemeine Chirurgie/Traumatologie und Viszeralchirurgie
Leiter Bariatrienetzwerk Spital Limmattal
Urdorferstrasse 100
CH-8952 Schlieren
Telefon +41 44 733 11 11

 

Modernste Bariatrie im Spital Limmattal

Das Bariatrische Zentrum des Spitals Limmattal ist eines der führenden interdisziplinären Zentren der Übergewichtsbehandlung in der Schweiz. Jährlich werden hier über 1‘000 Patienten behandelt und rund 300 Operationen in der Schlüssellochtechnik durchgeführt. Das Zentrum besitzt die höchste Einstufung der Fachgesellschaft sowie den Leistungsauftrag für hochspezialisierte Medizin zur Durchführung von komplexen Wiedereingriffen.

 

Führend in Magenbypass-Operationen

Das Bariatrische Zentrum hat sich zudem auf eine ausgedehnte Forschungstätigkeit spezialisiert, auch zur Evaluation aktuellster operativer Methoden. Das Spital Limmattal ist das erste Spital in der Schweiz, welches zurzeit eine Vergleichsstudie zwischen dem bekannten Magenbypass und neueren Magenbypass-Techniken (Omega-Bypass) durchführt.

 

Die Abklärung und Behandlung des Übergewichts sowie dessen Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Atemprobleme, Zuckerkrankheit und Gefässverfettung (mit der Gefahr von Herzinfarkten) setzt ein hochspezialisiertes, eng zusammenarbeitendes Team voraus. Das Bariatrische Zentrum mit verschiedenen Ärzten und paramedizinischen Experten (zum Beispiel Ernährungs- und Diabetesspezialisten sowie Physiotherapeuten) behandelt den Patienten individuell unter Berücksichtigung sämtlicher medizinischer, sozialer und persönlicher Aspekte. Nach der Operation wird eine mehrjährige enge Betreuung durch das Spezialisten-Team in Zusammenarbeit mit den Hausärzten gewährleistet.

 

Als Schwerpunktspital mit Ausbildungsauftrag übernimmt das Spital Limmattal die medizinische Grundversorgung von jährlich über 81'000 Patientinnen und Patienten. Es verfügt über 200 Betten im Akutbereich und 126 Betten in der Langzeitpflege. 1’400 Mitarbeitende erbringen täglich vielfältige und qualitativ hochstehende Leistungen. Zurzeit entsteht der Bau des neuen Spitals, das Ende 2018 bezugsbereit ist.

 

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Spital Limmattal

 

Die Rehabilitierung des Sündenbocks Fett

Die Rehabilitierung des Sündenbocks Fett

von Marion Wäfler Bsc Ernährung und Diätetik
E2 Portraet waefler 43

Ich erinnere mich noch gut: Vor knapp 20 Jahren während meiner Ausbildung zur Ernährungsberaterin, machten uns die Dozentinnen und Dozenten eines klar: Wer abnehmen muss und sich vor Herzkreislaufkrankheiten schützen will, muss Fett meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Das klang ja auch plausibel, denn Fett liefert schliesslich doppelt so viel Energie wie Proteine und Kohlenhydrate und vermag den Bauch nicht so zu füllen wie Gemüse oder Vollkornprodukte. Dazu kamen die «schlechten» Fettsäuren, die für so manche Zivilisationskrankheit verantwortlich gemacht wurden.

So kam es, dass ich und meine Berufskolleginnen und -kollegen darauf achteten, dass unsere Klientinnen und Klienten pro Tag nicht mehr als 15 bis 35 % Fett der Gesamtenergie verspeisten. Das bedeute konkret 30 bis 75 g Fett bei einem täglichen Energiebedarf von 2000 Kcal. Das war gar nicht immer so einfach, wenn man sich vor Augen führt, dass das Gipfeli am Morgen schon 10 Gramm Fett liefert und man danach noch gut ein Zweites essen könnte.

 

Fettphobie verdrängt Vorteile von Fett in unseren Köpfen

Dass Fett aber auch wichtige Funktionen in unserem Körper hat, rückte dadurch etwas in den Hintergrund. Die pflanzlichen Öle zum Beispiel, liefern lebensnotwendige, ungesättigte Fettsäuren, die im Gehirn vorkommen aber auch Bestandteil jeder einzelnen Zelle sind. Auch um die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K verwerten zu können, braucht unser Körper Fett. Und ohne Fettpolster an gewissen Körperstellen, wäre Sitzen beispielsweise äusserst unangenehm.

 

Trendsetter Amerika machts vor

Zunehmend reihten sich fettarme Lifestyle-Produkte in den Regalen der Grossverteiler. Es war ein regelrechter Hype danach und in immer mehr Restaurants konnte man «leicht» und «fettarm» essen. Fast Food-Stände schossen wie Pilze aus dem Boden und boten nicht Pommes, Pizza und Kebab an, sondern Salate, Gemüsesandwiches und Smoothies. Natürlich war diese «Aufwertung» des Streetfood-Angebots wünschenswert, gleichzeitig muss man seither noch mehr Verlockungen standhalten und bewusst Nein sagen, wenn man durch die Strassen geht.

Doch was passierte währenddessen drüben in Amerika und etwas verzögert auch bei uns? Die Menschen in den industrialisierten Ländern wurden immer dicker... Irgendetwas lief schief. Allmählich hinterfragten sich die Wissenschaftler und begannen das Thema Fett von Neuem aufzurollen.

 

Die Rehabilitierung begann

Es wurden grossangelegte Studien durchgeführt, die einiges über den Haufen warfen, was in Stein gemeisselt geglaubt wurde. Es stellte sich z.B. heraus, dass der negative Einfluss der gesättigten Fettsäuren bezüglich Herzkreislauferkrankungen nicht eindeutig war und deshalb relativiert werden musste. Vor rund sechs Jahren hat man aufgrund dieser neuen Erkenntnisse auch in der Schweiz die Empfehlung für Fett angepasst. Heute wird eine Gesamtfettmenge von 20 bis maximl 40% empfohlen (vorher: 15 bis 35%). Wichtiger als die Gesamtfettmenge – so die Eidgenössische Ernährungskommission - sei die Qualität des Fettes.

 

Ende gut alles gut?

Diese Erhöhung der Fettempfehlung von 5% ist natürlich gering. Und das Problem des Übergewichts wird dadurch nicht gelöst werden können. Dazu ist die Problematik viel zu komplex und vielschichtig. Noch immer entscheidet die konsumierte Gesamtenergie darüber, wie sich das Körpergewicht entwickelt: Wer mehr isst, als dass er oder sie verbraucht, nimmt auf Dauer an Gewicht zu – und umgekehrt. Nichtsdestotrotz ist die Anpassung der Fettempfehlung aus meiner Sicht ein wichtiges Zeichen, dass Fett als Nährstoff eine Art Rehabilitierung erlebt und in unseren Köpfen langsam aber sicher nicht mehr als (alleiniges) Schreckensgespenst auftritt.

 

Fett – die Fakten

Energie pro Gramm: 9.3 Kcal

Pflanzliche Quellen: pflanzliche Öle, Nüsse, Kernen, Oliven, Avocado

Tierische Quellen: Fettes Fleisch wie Speck, Aufschnitt, Wurstwaren und Milchprodukte wie Rahm, Butter

Aufgaben: Träger der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K, Energielieferant, Lieferant lebensnotwendiger Fettsäuren

Aktuelle Empfehlung für Fett (Eidgenössische Ernährungskommission):

20 – 40% Gesamtenergie (vorher: 15 – 35%). Das entspricht 45 bis 90 g Fett bei einem täglichen Energiebedarf von 2000 kcal.

Praktische Umsetzung dieser Empfehlung (Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE):

Täglich 2–3 Esslöffel (20–30 g) Pflanzenöl, davon mindestens die Hälfte in Form von Rapsöl. Täglich 1 Portion (20–30 g) ungesalzene Nüsse, Samen oder Kerne. Zusätzlich können sparsam Butter, Margarine, Rahm etc. verwendet werden (ca. 1 EL = 10 g pro Tag).

*2000 Kcal entsprechen einem durchschnittlichen Energiebedarf einer erwachsenen Person mit durchschnittlicher Bewegung.

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